„Tap-Tag“-Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 19.05.2022

Das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom 19.05.2022 entschieden, dass ein ohne finanzielle Gegenleistung veröffentlichter Instagram-Beitrag als Werbung zu kennzeichnen ist, sofern eine unentgeltliche Überlassung dieses Produkts zuvor erfolgte.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist Verlegerin, die im Anzeigengeschäft u.a. in sozialen Medien wie Instagram tätig ist, aber auch im Bereich Print- und Onlinezeitschriften. Dort bietet sie Werbeplatzierungen gegen Entgelt an. Die Beklagte ist Influencerin auf Instagram, wo sie auf Auftrag und gegen Entgelt Produkte und Leistungen von Unternehmen vorstellt. Zudem veröffentlicht sie auch Posts, für die sie nicht von den jeweiligen Unternehmen beauftragt wurde. Bei diesen verlinkte sie mittels „Tap-Tags“ auf Instagram-Accounts von Unternehmen, deren Produkte in den jeweiligen Bildern zu sehen sind. Für diese Posts erhielt die Beklagte keine finanzielle Gegenleistung und kennzeichnete diese Posts auch nicht als Werbung.

Im vorliegenden Fall verlinkte die Beklagte Ende 2019 in einem Instagram-Beitrag auf eine Reihe von eBooks im Wert von insgesamt 1.300 €, die sie unentgeltlich erhalten hatte, welche sich mit der veganen Ernährung befassen. Die Beklagte gab am 16.12.2019 eine Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin ab, am 07.01.2020 forderte die Klägerin wegen 16 angeblicher Verstöße gegen die besagte Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe in Höhe von 80.000 € (16 x 5.001 €). Die Klägerin hatte bereits zuvor weitere Influencer abgemahnt. Die Forderung wurde später auf 15.000 € reduziert, nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass möglicherweise nur ein Verstoß vorliege. In erster Instanz wurde der Anspruch der Klägerin von dem Landgericht Frankfurt a.M. zugesprochen, die Beklagte habe es unterlassen, kommerzielle Inhalte zu kennzeichnen. Dagegen wendete sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Das Verhalten der Klägerin, die bereits zuvor andere Influencer abgemahnt hatte, war nicht rechtsmissbräuchlich gem. § 8c UWG ist. Eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen aus unzulässigen geschäftlichen Handlungen liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt. Dies kann z.B. durch eine überhöhte Vertragsstrafe indiziert sein, oder durch den Ansatz eines überhöhten Gegenstandswerts. Im Anbetracht der Reduzierung der Vertragsstrafe ist allerdings keine überhöhte Vertragsstrafe zu sehen.

Bei der Veröffentlichung des Posts durch die Beklagte handelt es sich um eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Beitrages ist dazu geeignet, das Unternehmen der Beklagten zu fördern. Dabei haben auch private, also nicht werbefinanzierte Beiträge, geschäftlichen Charakter. Die Öffnung des privaten Lebensbereichs macht es für das Publikum attraktiv, Influencern zu folgen, da diese dadurch authentischer und nahbarer wirken. Die Förderung des eigenen Images, die charakteristisch ist für Influencer, dient dem Ziel der Reichweitensteigerung und ist damit als geschäftliche Handlung zu betrachten. Der unentgeltliche Charakter der „Tap-Tags“ ist nicht weiter erheblich, da auch diese der gewerblichen Tätigkeit der Influencer-Unternehmer dienen.

In dem Beitrag, der auf eine Reihe von eBooks verweist, ist auch eine geschäftliche Handlung zugunsten des Anbieters von eBooks als Drittunternehmer zu sehen. Die Beklagte, die bereits vor der Veröffentlichung ihres Beitrages die eBook-Reihe unentgeltlich erhalten hatte, setzte sich nicht inhaltlich mit dem Produkt auf eine kritische Art und Weise auseinander und verwies vielmehr werbend und anpreisend auf das eBook und den reduzierten Preis. Dabei mutet der Beitrag wie eine klassische Produktwerbung an.

Darin liegt ein kommerzieller Zweck, der von der Beklagten, entgegen den Vorgaben des § 5 Abs. 6 UWG, nicht gekennzeichnet wurde. Unlauter handelt nämlich, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
Der Instagram-Beitrag der Beklagten diente dem Zweck, das eigene Unternehmen zu fördern. Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks ist dabei entbehrlich, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Verbraucher den kommerziellen Zweck klar und eindeutig auf den ersten Blick erkennen können. Der Verbraucherschutz wird durch die unterlassene Kennzeichnung unterhöhlt, da bei der Vermischung von kommerzieller und privater Darstellung für den durchschnittlichen Verbraucher kaum erkennbar ist, ob es sich bei einem Beitrag um Werbung handelt.

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Der Autor, Rechtsanwalt Sascha Leyendecker, Fachanwalt für Urheber– und Medienrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtschutz

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